„Die Vape. Hinter dem Geschmack verbirgt sich eine Lüge“: eine fiktive Untersuchung über den Boom der E-Zigarette
Wir waren überrascht, als wir in der französischen Novemberausgabe 2025 der Zeitschrift „Zahnzeitung Schweiz”a einen Artikel entdeckt haben mit dem Titel „Gesundheitliche Aspekte der Raucherentwöhnung. Tabakprodukte zum oralen Gebrauch: ein geringeres Risiko für „rauchbedingte Krankheiten” »(1)b. Dieser beschreibt eine Metaanalyse, welche Tabakprodukte zum oralen Gebrauch hinsichtlich ihrer Gesundheitsrisiken mit Zigaretten zu vergleicht.
Bei der Prüfung der in diesem Artikel zitierten Metaanalyse haben wir festgestellt, dass diese von Mitarbeitern von Altria, der Muttergesellschaft von Philip Morris USA, durchgeführt wurde. Die Studie mit dem Titel „Comparative disease risks associated with cigarette smoking and use of moist smokeless tobacco and snus: an umbrella review of epidemiological evidence from the United States and Western Europe”(2) wurde 2025 in der Fachzeitschrift BMC Public Health veröffentlicht.
„Zahnzeitung Schweiz”erwähnt jedoch an keiner Stelle diesen Zusammenhang mit dem Zigarettenhersteller. Die Publikation von Arbeiten oder Artikeln, die von der Tabakindustrie stammen, erfordert höchste Sorgfalt. Die Branche ist historisch für wissenschaftliche Manipulation und weitreichende Desinformation belegt. Eine Veröffentlichung ohne klaren, expliziten Hinweis auf diese Herkunft verletzt grundlegende Prinzipien wissenschaftlicher Integrität(3).
Es ist wichtig daran zu erinnern, dass die Tabak- und Nikotinindustrie seit mehr als 70 Jahren unermüdlich versucht, die Wissenschaft zu beeinflussen – nicht im Interesse des wissenschaftlichen Fortschritts oder der Öffentlichkeit, sondern ausschliesslich zum Schutz ihrer Gewinne. Wird sie mit wissenschaftlichen Erkenntnissen konfrontiert, die die Schädlichkeit ihrer Produkte belegen, setzt die Tabakindustrie ausgeklügelte Strategien ein, um Falschinformationen zu verbreiten, Zweifel zu säen, Risiken herunterzuspielen und jene Wissenschaftler zu diskreditieren, welche für diese Forschungsergebnisse verantwortlich sind (4, 5).
Die Praktiken der Einmischung in den medizinischen Bereich sind gut dokumentiert. Laut Tobacco Tactics, einer unabhängigen Plattform der Universität Bath (Grossbritannien), hat die Tabakindustrie seit langem Gesundheitsfachkräfte, darunter auch Zahnärzte, im Visier(6). Dies geschieht insbesondere durch dass die Tabak- und Nikotinindustrie:
• an Konferenzen zu Zahnmedizin und Mundgesundheit teilnimmt,
• Veranstaltungen für Fachleute sponsert,
• Forschungsarbeiten finanziert oder selbst durchführt,
• Ausbildungsprogramme organisiert und
• Beiträge in Fachzeitschriften für Zahnärzte veröffentlicht.
Diese Praktiken sind Teil einer Gesamtstrategie, die darauf abzielt, die Wahrnehmung von Nikotinprodukten durch Angehörige der Gesundheitsberufe zu beeinflussen, insbesondere von Produkten, die als „weniger schädlich” als Zigaretten dargestellt werden.
Wir haben der Redaktion von „Zahnzeitung Schweiz”unsere tiefe Besorgnis mitgeteilt und klare Präventivmassnahmen gefordert, um solche Probleme in Zukunft zu vermeiden. Bis heute haben wir keine Antwort von der Zeitschrift erhalten. Wir haben den Fall auch der Schweizerischen Zahnärzte-Vereinigung und der Plattform Tobacco Tactics gemeldet.
Hervorzuheben ist auch die Verantwortungslosigkeit einiger wissenschaftlicher Verlage wie Springer, Herausgeber von BMC Public Health, die weiterhin Artikel der Tabakindustrie veröffentlichen. Dies betrifft leider die Mehrheit der Herausgeber wissenschaftlicher Zeitschriften, auch wenn einige von ihnen beschlossen haben, solche Studien nicht mehr zu akzeptieren, darunter das American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine, das American Journal of Respiratory Cell and Molecular Biology, das Journal of Health Psychology, PLOS Medicine, PLOS One, PLOS Biology, das British Medical Journal, BMJ Open, Tobacco Control und das European Journal of Public Health(7-12).
Es ist höchste Zeit, dass wissenschaftliche und fachliche Zeitschriften dieses Problem endlich angehen und jede Zusammenarbeit mit dieser manipulativen und tödlichen Industrie einstellen.
Wenn Sie weitere ähnliche problematische Situationen feststellen, zögern Sie bitte nicht, uns darüber zu informieren.
a„Le Monde dentaire suisse” ist eine Fachzeitschrift für Zahnärzte, die zur Medtrix AG gehört (ebenso wie beispielsweise die Tribune médicale).
b Titel auf Französisch : « Aspects sanitaires liés à l’aide au sevrage tabagique. Produits du tabac à usage oral : un risque réduit de “maladies liées au tabagisme”
1. LMR. Aspects sanitaires liés à l’aide au sevrage tabagique. Produits du tabac à usage oral : un risque réduit de “maladies liées au tabagisme”. Le monde dentaire suisse. 2025;6(Novembre 2025). Available from: https://epaper.zahnzeitung.ch/frontend/getcatalog.do?catalogId=1186163
2. Cheng HG, Noggle B, Flora JW. Comparative disease risks associated with cigarette smoking and use of moist smokeless tobacco and snus: an umbrella review of epidemiological evidence from the United States and Western Europe. BMC Public Health. 2025;25(1):3765. Available from: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/41184935.
3. Swiss Academies of Arts and Sciences. Code of conduct for scientific integrity. Swiss Academies of Arts and Sciences; 2021. Available from: https://api.swiss-academies.ch/site/assets/files/25607/kodex_layout_en_web-1.pdf.
4. Brandt AM. The Cigarette Century: The Rise, Fall, and Deadly Persistence of the Product That Defined America. New York: Basic Books; 2007.
5. Proctor RN. Golden Holocaust: Origins of th Cigarette Catastrophe and the Case for Abolition. Berkeley, Los Angeles, London: University of California Press; 2011. 738 p.
6. Tobacco Tactics – Tobacco Control Research Group at the University of Bath. Tobacco Companies Targeting Health Professionals: Dentistry and PMI. Accessed on: 25.11.2025. Available from: https://www.tobaccotactics.org/article/targeting-health-professionals-dentistry-pmi/
7. Lanken PN, Osborne ML, Terry PB. Introduction: the ethics of publishing research sponsored by the tobacco industry in ATS/ALA journals. Am J Respir Crit Care Med. 1995;151(2 Pt 1):269–70. Available from: https://doi.org/10.1164/ajrccm.151.2.7842174.
8. Leff AR, McDonald JA. Announcement – ATS Policy on Tobacco-funded Research. American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine. 1995;152(5). Available from: https://www.industrydocuments.ucsf.edu/docs/rjyd0216.
9. Marks DF. A higher principle is at stake than simply freedom ofs peech. BMJ. 1996;312:773–4. Available from: https://europepmc.org/backend/ptpmcrender.fcgi?accid=PMC2350441&blobtype=pdf.
10. Godlee F, Malone R, Timmis A, Otto C, Bush A, Pavord I, et al. Journal policy on research funded by the tobacco industry. BMJ. 2013;347:1756–833
11. Malone RE. Changing Tobacco Control’s policy on industry-funded research. Tobacco Control. 2013;22(1):1–2. Available from: https://doi.org/10.1136/tobaccocontrol-2012-050874.
12. McKee M, Allebeck P. Why the European Journal of Public Health will no longer publish tobacco industry-supported research. The European Journal of Public Health. 2014;24(2):182