Die mit Tabakprodukten verbundenen Umweltprobleme beschränken sich nicht auf das Littering von Zigarettenstummeln. Sie betreffen die gesamte Produktionskette, vom Tabakanbau bis zum Endkonsum der Produkte. Die Tabakindustrie ist damit verantwortlich für die nachgewiesenen Umweltschäden, welche ihre Produkte und deren Herstellung verursachen. Die 2021 vom Verband Swiss Cigarette (dem die Schweizer Tochterunternehmen von British American Tobacco, Japan Tobacco International und Philip Morris International angehören) lancierte Kampagne «Lara Green» versucht, einer umweltschädlichen Industrie ein grüneres und ökologischeres Image zu verschaffen. Tatsächlich handelt es sich aber um eine Strategie, um die Produzentenverantwortung auf die Rauchenden abzuwälzen und Tausende von Daten zu sammeln, über deren Verwendung man noch nichts weiss. Die Konsumentinnen und Konsumenten müssen dringend über die Rolle informiert werden, welche die Tabakproduzenten bei der Erzeugung der Tabakproduktabfälle spielen. So soll auch die politische Unterstützung für Massnahmen gefördert werden, um die Produzenten zur Verantwortung zu ziehen und die Industrie zum Management und zur Entsorgung der von ihr verursachten Abfälle zu verpflichten.
Zigarettenstummel – häufig als wertlose Abfälle betrachtet – sind für zwei Drittel des gesamten Litterings verantwortlich. Bis sie vollständig zersetzt sind, dauert es 15 Jahren. Dies liegt vor allem am Filter, der den grössten Anteil an der Verschmutzung der Umwelt durch Zigarettenstummel ausmacht. Der Filter besteht aus Kunststoffen, die sich in der Umwelt wiederfinden und zur zunehmenden Verschmutzung durch Mikroplastik beitragen. Er benötigt von allen Bestandteilen einer Zigarette am längsten, bis er abgebaut ist. Selbst sachgerecht entsorgte Stummel belasten die Umwelt. Die Tabakindustrie scheint dies aber nicht zu alarmieren. Laut eigenen Angaben stellt sie jährlich eine Million Tonnen Zigarettenfilter her.
Einem Artikel in der Fachzeitschrift Tobacco Control1, zufolge «sind Filter und Innovationen bei Filtern immer wieder als Mittel vermarktet worden, um die mit dem Rauchen verbundenen Gesundheitsrisiken zu reduzieren, wobei schon der Begriff Filter eine geringere Schädlichkeit suggeriert». Dabei «belegt die grosse Mehrheit der unabhängigen Forschungsarbeiten, dass Filter die gesundheitsschädlichen Auswirkungen des Rauchens nicht verringern. Tatsächlich können Filter die durch den Tabakkonsum bedingten Schäden sogar noch verstärken, da sie es den Rauchenden ermöglichen, den Rauch tiefer zu inhalieren.»
Die mit Tabakprodukten verbundenen Umweltprobleme beschränken sich nicht auf das Littering von Zigarettenstummeln. Sie betreffen die gesamte Produktionskette, vom Tabakanbau bis zum Endkonsum der Produkte.
Unter dem Titel «Butting out: an analysis of support for measures to address tobacco product waste» stellten neuseeländische Forschende 2019 in der Fachzeitschrift Tobacco Control3, die Ergebnisse einer Befragung zu Tabakproduktabfällen vor, die bei einer Stichprobe von Rauchenden und Nichtrauchenden durchgeführt worden war. Unter anderem halten die Autorinnen und Autoren Folgendes fest: «Die meisten Befragten erachteten weggeworfene Zigarettenstummel als umweltschädlich und sahen in erster Linie die Rauchenden als Verursachende dieser Abfälle. Mit zunehmendem Wissen darüber, dass Zigarettenstummel nicht biologisch abbaubar sind, stieg auch der Anteil derjenigen, welche die Tabakunternehmen für diese Abfälle verantwortlich machten.»
Wer ist verantwortlich?
Die auf dem Verursacherprinzip basierende Erweiterte Produzentenverantwortung (EPV) spielt beim Umgang mit Umweltproblemen in Demokratien eine immer grössere Rolle. Sie überträgt den Herstellern die – finanzielle und physische – Verantwortung für die Entsorgung der Produkte nach dem Verbrauch
Insbesondere ist der Hersteller für die Umweltschäden verantwortlich, die nachweislich durch das betreffende Produkt verursacht worden sind. Er muss die Kosten für die Sammlung, das Recycling oder die Entsorgung der hergestellten Produkte tragen. Schliesslich muss der Hersteller die Bevölkerung überdie Umweltrisiken des Produkts, das er auf den Markt bringt, informieren.
Das Prinzip der EPV gilt in bestimmten Ländern, wie Frankreich, auch für Hersteller von Tabakprodukten. Es ist denkbar, dass diese Erweiterung der Umsetzung der EPV mit ein Grund war, weshalb Swiss Cigarette die Kampagne «Lara Green» (siehe unten) startete. Die Mitglieder dieses Verbands wollten so verhindern, dass dieses Prinzip auch in der Schweiz auf sie angewendet würde.
Die Kampagne « Lara Green »
Mit der im Mai 2021 lancierten Kampagne «Lara Green» will der Verband Swiss Cigarette, dem die Schweizer Tochterunternehmen von British American Tobacco (BAT), Japan Tobacco International (JTI) und Philip Morris International (PMI) angehören, nach eigenen Angaben das Engagement für eine saubere Umwelt weiter verstärken. Er verteilt Taschenaschenbecher, um für die verheerenden Folgen von Littering zu sensibilisieren.
Der Slogan dieser Kampagne lautet: «Die Umwelt ist kein Aschenbecher. Zigistummel richtig entsorgen!»
Tatsächlich handelt es sich aber um eine Strategie, um die Produzentenverantwortung auf die Rauchenden abzuwälzen, und auch um eine Marketingstrategie, mit der wahrscheinlich Daten gesammelt werden sollen. So wurden bei der Bestellung der 20 000 Taschenaschenbecher, die Swiss Cigarette verteilte, über 10 000 Kontaktdaten erfasst. Man darf sich deshalb zu Recht fragen, welchem Zweck diese Daten dienen werden.
Weshalb ein Taschenaschenbecher?
1984 meldete J. B. Winnacott ein Patent für einen Taschenaschenbecher an. Dessen Vorteile für die Tabakindustrie stellte er wie folgt dar4 :
Die Tabakindustrie erachtete diese Taschenaschenbecher als positiv für die PR. Sie galten als Massnahmen, die es braucht, um die gesellschaftliche Akzeptanz des Rauchens zu bewahren und Raucheinschränkungen an öffentlichen Orten zu bekämpfen.
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Greenwashing und Datensammlung
Diese als Greenwashing, bezeichnete Marketingmethode besteht darin, das Image einer umweltschädlichen Industrie mithilfe einer umweltfreundlicheren Positionierung aufzubessern. Sie ist wohlbekannt und wird von den Tabakunternehmen seit Mitte der 1980er-Jahre verwendet.
Ihr Ziel?
Am 27. Mai 2021 reagierte die Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention Schweiz (AT Schweiz) auf die Lara-Green-Kampagne und verortete sie «zwischen Greenwashing und gross angelegter Datensammlung»5.
Bedenkliche Fakten…
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Kampagnenstrategie
Doppelspiel
Wille, dem Image der Zigarette nicht zu schaden
In der Lara-Green-Kampagne werden keine Bilder von Zigarettenstummeln gezeigt: Die Tabakindustrie wirbt damit, sich an die Anforderungen für die Kommunikation von Umweltschutzbotschaften zu halten, ohne aber dem Image der Zigarette zu schaden.
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Vereinfachung
Die Umweltauswirkungen der Tabakprodukte beziehen sich auf die gesamte Produktionskette, vom Tabakanbau bis zum Endverbrauch der Produkte. Aber für «Lara Green» ist das einzige Problem der «kleine Stummel».
Wenn an die Eigenverantwortung der Rauchenden appelliert wird, hat dies für die Tabakindustrie einen doppelten Vorteil: Den Rauchenden wird die Verantwortung für das Problem und seine Lösung zugewiesen und gleichzeitig wird die Industrie von jeder Verantwortung befreit.
Ähnliche Kampagnen in der Vergangenheit
British American Tobacco Switzerland (BAT) und die Operation «Pocketbox»
Die Lara-Green-Kampagne ist die Fortsetzung der Kampagne, welche BAT 2006 unter der Bezeichnung «Ecobox» und später «Pocketbox» gestartet hat.
Auch hinter dieser Kampagne scheint die Absicht zu stecken, die Verantwortung für die Entsorgung von Abfällen wie Zigarettenstummeln zu externalisieren. In einem Bericht aus dem Jahr 20207, widmet BAT sechs Seiten (von 147) dem Thema Abfall, eine davon dem Littering von Zigarettenstummeln. Darin schreibt das Unternehmen:
Japan Tobacco International (JTI) und die Operation «Cleaning Up»
JTI ist mit der Interessengemeinschaft für eine saubere Umwelt (IGSU) eine Zusammenarbeit eingegangen, um aufzuzeigen, dass:
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Diese Kampagne wurde mit grosser Sicherheit mit dem Ziel gestartet, der Politik und der Umweltbewegung zu zeigen, dass sich die Tabakindustrie für die Umwelt engagiert, und gleichzeitig die Verantwortung auf die Rauchenden abzuwälzen.
Philip Morris International (PMI) und die Operation «Leave No Trace»
Im Rahmen der Kampagne «Leave No Trace» von PMI wurde eine «Limited Edition» von Marlboro-Zigarettenpackungen mit «Anti-Littering-Botschaften an erwachsene Rauchende»9 produziert.
Wie «Lara Green» zeigen auch diese drei Kampagnen folgende Botschaft der Tabakindustrie: Umweltschutz ist Sache jeder und jedes Einzelnen und nicht der Regierung.
Trotz der Greenwashing-Kampagnen bestimmter Tabakunternehmen «tragen diese Bemühungen kaum zu einer Verringerung der Auswirkungen der Milliarden von Zigarettenstummeln bei, die jedes Jahr in die Umwelt gelangen. Ganz einfach: Aufräumaktionen werden nicht ausreichen, um die Verschmutzung durch Abfälle der Tabakprodukte einzudämmen», sagt Professor Thomas Novotny der Universität von San Diego10.
Sensibilisierung für eine grössere Produzentenverantwortung
Die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Rolle der Tabakhersteller bei der Abfallerzeugung könnte die politische Unterstützung für Massnahmen fördern, mit denen die Produzenten zur Verantwortung gezogen werden.
Die Kampagne «Lara Green» und alle weiteren Kampagnen der Tabakunternehmen sind nur eine Strategie, die dazu dient, die Verantwortung abzuwälzen und die Rauchenden glauben zu machen, dass sie allein für die Verschmutzung durch Zigarettenstummel verantwortlich sind. Tatsächlich aber ist die Tabakindustrie während der gesamten Produktionskette, vom Tabakanbau bis zum Endverbrauch der Produkte, verantwortlich. «Die Verantwortung für die Vermeidung von toxischen Abfällen erstreckt sich über den gesamten Lebenszyklus der Produktnutzung und -entsorgung», so Professor Novotny weiter. «Diese Verantwortung wurde jedoch noch nicht auf die Tabakindustrie übertragen, sondern verbleibt bei den Opfern der Tabakepidemie oder als Externalität, für welche die öffentliche Hand und die Steuerpflichtigen aufkommen.»
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Politische Massnahmen
«Die Strategien zur Sensibilisierung für die Rolle, welche die Tabakproduzenten bei der Erzeugung von Tabakproduktabfällen spielen, könnten die politische Unterstützung für Massnahmen stärken, um die Produzenten zur Verantwortung zu ziehen und die Industrie zum Management und zur Entsorgung dieser Abfälle zu verpflichten. Es braucht aber weiterhin politische Massnahmen, um die Raucherentwöhnung zu fördern und den Tabakkonsum zu reduzieren, da die Verringerung der Prävalenz des Rauchens langfristig die beste Lösung ist, um Tabakproduktabfälle einzudämmen», so das Fazit der Autorinnen und Autoren eines 2019 in der Fachzeitschrift Tobacco Control erschienenen Artikels11.
1 http://dx.doi.org/10.1136/tobaccocontrol-2020-056245
2 https://tobaccoatlas.org/topic/environment
3 http://dx.doi.org/10.1136/tobaccocontrol-2019-054956
4 https://www.oxyromandie.ch/showpdf.php?url=./ttid/_pdf_files_/ssmb0103.pdf
9 https://www.pmi.com/integratedreport2020
Impressum
Dieses Briefing-Papier basiert auf der Grundlage des Berichts «Verwendung von Taschenaschenbechern durch die Tabakindustrie: Operation zur Auslagerung von Verantwortung, Greenwashing, regulatorisches Vorkaufsrecht und Marketing» von Pascal Diethelm (OxySuisse).
Es wurde entwickelt und verfasst von:
Médecine et Hygiène (Projektleitung, Redaktion, Ausgabe):
Michael Balavoine, Marion Favier, Clémentine Fitaire, Laetitia Grimaldi, Bertrand Kiefer, Sophie Lonchampt, Lucie Ménard, Joanna Szymanski, Mélissa Vuillet.
unter Beteiligung von OxySuisse:
Pascal Diethelm
Layout und Illustrationen: Adrien Bertchi
Bildnachweis: GettyImages, AdobeStock
© Médecine & Hygiène, 2022