Jugendliche sind die Hauptzielgruppe der Tabakindustrie: als zukünftige Raucherinnen und Raucher sollen sie das Überleben der Tabakindustrie sicher stellen. Das nur schlecht getarnte Ziel jedes Tabakunternehmens besteht darin, dass junge Nichtrauchende möglichst früh zu rauchen beginnen, und zwar mit einer seiner Marken, um so den Konkurrenten zuvorzukommen. Anschliessend geht es für sie darum, die jungen «Rauch-Anfängerinnen und Anfänger» zum weiteren Konsum anzuregen, damit sie zu Gewohnheitsrauchenden werden, die nach einem Produkt süchtig und ihrer Marke treu sind.
Um dies zu erreichen, nutzt die Tabakindustrie alle Marketingkanäle, die ihr zur Verfügung stehen. Nach den klassischen Werbemedien gilt es seit kurzem, die sozialen Netzwerke zu erobern. Dieser virtuelle, offene, grenzenlose und intrusive Raum fällt durch die Maschen der gezielten Marketingreglementierung. Während die Regulierung weiter schwammig bleibt und die Nutzenden von virtuellen Gemeinschaften immer jünger werden, reichen den Herstellern wenige Klicks, um ihre Zielgruppe zu erreichen.
Um ihre Verkäufe auf dem gleichen Niveau zu halten, muss die Tabakindustrie laufend ihren Kundenstamm erweitern, da dieser sonst abnimmt, weil Personen sterben oder mit dem Rauchen aufhören. Jugendliche unter 21 Jahren sind für sie von grossem Interesse, beginnen doch 85 % der Raucherinnen und Raucher vor diesem Alter mit dem Rauchen. Die bei den Jugendlichen sehr beliebten sozialen Netzwerke sind deshalb natürlich ein Bereich, den jegliche Unternehmen, egal in welchem Marktsegment sie sich bewegen, zu nutzen versuchen. Insbesondere die Tabakindustrie versucht über diesen Weg, Jugendliche zu überzeugen, dass das Rauchen ein «Initiationsritus für den Übergang ins Erwachsenenalter» ist1.
Ein Monitoring der sozialen Netzwerke zeigte auf, dass die Werbung für Nikotinprodukte (E-Zigaretten, Tabakprodukte zum Erhitzen, Snus, Snuff usw.) in der Schweiz allgegenwärtig ist.
Im Internet verwendet die Tabakindustrie in erster Linie zwei Kommunikationsformen:
Die verwendeten Marketingstrategien, um die Jüngsten zu erreichen, entsprechen den Strategien, die in der internationalen wissenschaftlichen Literatur beschrieben werden:
Zahlreiche Posts – ob von der Branche selber oder von Influencern – halten sich nicht an die geltenden Regeln für die sozialen Netzwerke, die namentlich erfordern, dass gesponserter oder Werbeinhalt als solcher gekennzeichnet wird.
Auch werden keine Massnahmen ergriffen, um den Zugriff durch Minderjährige zu verhindern.
Diese Posts erfüllen nicht einmal die Vereinbarung zwischen Swiss Cigarette und der Schweizerischen Lauterkeitskommission, die vorgibt, dass jede Werbung klar ersichtlich «auf mindestens 10 Prozent der Fläche und in drei Sprachen den offiziellen Text einer der in Artikel 12 der Tabakverordnung erwähnten allgemeinen Warnaufschriften tragen»2 muss, obwohl allgemein bekannt ist, dass diese Art von Vereinbarung von vorne herein so gestaltet werden, dass keine Wirkung von ihnen ausgeht.
Inhalte im Sinne der Tabakprävention sind hingegen nur sporadisch zu finden und in den sozialen Netzwerken wenig sichtbar.
Um ihre Ziele zu erreichen, hat die Tabakindustrie die Faktoren identifiziert, die den Einstieg und den Gewohnheitskonsum bei Jugendlichen fördern.
Auf physischer Ebene
Auf psychologischer Ebene
Werbung in den sozialen Netzwerken fördert den Einstieg in den Konsum bei Jugendlichen
Eine Studie3 mit über 140 000 Personen (wovon drei Viertel Jugendliche waren) hat gezeigt, dass bei Nichtraucherinnen und Nichtrauchern, die in den sozialen Netzwerken Tabakwerbung ausgesetzt sind, die Gefahr doppelt so gross ist, dass sie im Verlauf ihres Lebens mit dem Rauchen beginnen, im Vergleich zu Personen, die keiner solchen Werbung ausgesetzt sind. Für Personen, die bei mehr als zwei sozialen Netzwerken angemeldet sind, ist dieses Risiko noch höher.
Ein spezifisches Marketing für die sozialen Netzwerke
Die Akteure im Bereich der Tabakprävention haben ein Projekt zur Beobachtung der Marketingstrategien für Tabakprodukte in verschiedenen sozialen Netzwerken in der französischen Schweiz4 durchgeführt.
Mit dem Projekt wurde aufgezeigt:
Die Tabak- und Nikotinindustrie hat kreative Methoden entwickelt, um ihr Zielpublikum immer und überall zu erreichen. So wurden in allen sozialen Netzwerken Werbeinhalte gefunden und die Branche ist in den meisten direkt vertreten.
Die restriktive interne Politik der Internetgiganten hängt von der jeweiligen Plattform ab. Beobachtungen in den sieben Netzwerken, die von den Jugendlichen in der Schweiz am meisten genutzt werden (Instagram, Snapchat, TikTok, YouTube, Facebook, Pinterest, X (Twitter)), im Jahr 20225 :
Geltende Politik im Mai 2021 zur Verkaufsförderung und zum Verkauf von Tabakprodukten in den sozialen Netzwerken6
Art der Einschränkung | Politik zur Tabakeinschränkung | Soziale Netzwerke |
bezahlte Anzeige | Verbot der bezahlten Werbung für Tabakprodukte | |
Verbot der bezahlten Werbung für Tabakkonsumorte (z. B. Shisha-Bars) | ||
Verbot der bezahlten Werbung für Veranstaltungen in Zusammenhang mit Tabak | ||
Verkaufsförderung | Verbot der Empfehlung von nutzergenerierten Inhalten zum Thema Tabak | |
Verbot von gesponserten Inhalten (Influencer) | ||
Verkauf | Verbot des Tabakverkaufs | |
Einschränkung für Minderjährige | Alterskriterien, die den Zugang von Jugendlichen zu Tabakverkauf und -werbung einschränken |
* Erlaubnis, Inhalt zu veröffentlichen, der Tabakwaren zum Kauf, Verkauf, Tausch oder als Geschenk anbietet, für ein Ladengeschäft, eine Website oder eine Marke, wenn eine Altersgrenze von 18 Jahren angewandt wird.
** Der Verkauf von Tabakwaren von Nutzer zu Nutzer ist eingeschränkt.
*** Weiter gefasste Definition: Inhalte, die für ein nikotinhaltiges Produkt werben, können einer Altersbeschränkung unterliegen oder entfernt werden.
TikTok | X (Twitter) | ||
Snapchat | Youtube |
Ein Gesetz, das auf sich warten lässt
Das Tabakproduktegesetz (TabPG), das 2024 in Kraft treten soll, regelt die neuen Produkte wie zum Beispiel die elektronischen Zigaretten. Aber auch wenn es unter anderem ein ausdrückliches Werbeverbot «auf Internetseiten, die für Minderjährige bestimmt sind»7 enthält, erlaubt das Gesetz weiterhin Werbung in den sozialen Netzwerken, wo es von diesen neuen Produkten wimmelt. Das TabPG weist folglich Zeichen eines «Scheingesetzes» auf und zeichnet sich durch fragmentierte und unzusammenhängende Massnahmen aus, die es vollständig wirkungslos machen8.
Mit der vom Volk angenommenen Initiative «Kinder ohne Tabak9», die ein Verbot «jeder Art von Werbung, die Kinder und Jugendliche erreicht» verlangt, soll das TabPG bis 2025 weiterentwickelt werden, vorausgesetzt dass das Parlament den Volkswillen respektiert.
Mit folgenden Massnahmen könnten Jugendliche wirksam geschützt werden:
1 Béguinot E. und Martinet Y., Rev Prat, 2021.
2 https://www.faire-werbung.ch/wp-content/uploads/2021/09/Vereinbarung-Zigarettenindustrie-1.2.2018.pdf, (Artikel 1.3).
3 Donaldson S., und al., JAMA pediatr., 2022.
4 https://observatoire-marketing-tabac.ch/wp-content/uploads/2015/02/brochure_CIPRET_obs_de.pdf
5 Kong G. und al., Tob. Control, 2022
6 KongKong G. und al., Tob. Control, 2022
7 Art.18, Abs. 1, d.
8 Siehe Informationsblatt «Tabakprävention und Tabakwerbung» der Eidgenössischen Kommission für Tabakprävention.
Impressum
Dieses Briefing-Papier basiert auf der Grundlage des Berichts «Neue Formen des Marketings : Werbung für neue Tabak- und Nikotinprodukte in sozialen Netzwerken», von Cathy Berthouzoz (Gesundheitsförderung Wallis) und Jérémy Cros (Unisanté).
Es wurde entwickelt und verfasst von:
Médecine et Hygiène (Projektleitung, Redaktion, Ausgabe):
Michael Balavoine, Marion Favier, Clémentine Fitaire, Laetitia Grimaldi, Bertrand Kiefer, Sophie Lonchampt, Lucie Ménard, Joanna Szymanski, Mélissa Vuillet.
unter Beteiligung von OxySuisse:
Pascal Diethelm und Michela Canevascini
Layout und Illustrationen: Adrien Bertchi
Bildnachweis: GettyImages, AdobeStock
© Médecine & Hygiène, 2024